Meine Politik für die gegenwärtige Zeit

Der Mensch von heute, der wirklich unabhängige Mensch, möchte die Ereignisse auf seine Weise gestalten. Seine Situation entspricht nie seinen Wünschen. Er möchte sie ändern. Ebenso, wie er jede Gewissheit in Frage stellt, behauptet er, seine eigene Lage in Frage stellen zu können. Warum? Weil er nicht mehr an Gott glaubt, der ihn persönlich liebt. Er will nicht mehr glauben, dass der Allmächtige sowohl im Detail als auch in seinem gesamten Erdendasein über ihn wacht. Der moderne Erwachsene glaubt nicht mehr, dass:

„Gott in der finstren Nacht
die schwarze Ameise
auf dem schwarzen Stein.“

Weil der weltliche Mensch seinen Platz, sein Schicksal, seine Idole ändern und diese ständig wechseln möchte; der Freund Gottes muss bleiben und an dem Platz verharren, an den Gott ihn gesetzt hat. In der Tat gibt es zwischen den Freunden Gottes und der Welt einen Gegensatz und einen Bruch. Was der eine wählt, weist der andere zurück. Sonst gäbe es keine zwei Lager mehr, sondern nur noch eines, und zwar die Welt.

Gott fordert also heute mehr denn je, da auszuhalten, wohin er uns bei seinem ersten Ruf gezogen hat. Dort nehmen, was er uns selbst vorbereitet hat und, mit viel Aufrichtigkeit und Schlichtheit, aber auch mit viel Intelligenz und Willen, das beste daraus machen.

Gott arrangiert alle Umstände um uns herum. Außerdem, da Gott mit uns ist – seine Gnade, unsere Folgsamkeit und unser Vertrauen –, werden wir aus diesen Umständen einen ausgezeichneten Nutzen ziehen. Lasst uns alle Sorgfalt auf die Seite des besten Nutzens legen, den wir aus den Dingen ziehen können, die auf unserem Weg liegen, ohne den Weg ändern zu wollen. Lasst Gott uns führen.

Br. M.-Hieronymus, Sept-Fons, 27. September 1973




Bruder Jakob, Laienbruder

Klein, schwächlich, immer kränklich, vom menschlichen Standpunkt aus ein Versager. Er war ein kleiner Mann, aber aufrichtig und großzügig; einer dieser kleinen Männer, die Gott liebt und die bei weitem keine Durchschnittsmenschen sind. Schwach in allem, mittelmäßig nichts, groß in allem Wesentlichen.

Er erfüllte alle seine Mönchspflichten mit sehr großem Ernst, allen voran die Pflicht, durch ein Leben im Gebet nach Gott zu streben. Sein Gebet war beständig, intensiv. Es war einfach zu beobachten, sosehr verhielt er sich einfach als Mönch, ohne jede menschlichte Achtung. So hielt er bei seinem Hin- und Hergehen immer seinen mit geweihten Medaillen beladenen Rosenkranz in der Hand. Oft ging er auch mit dem Rosenkranz in der einen und seinem offenen Brillenetui in der anderen Hand einher. Darin sah man Blätter, auf denen Stoßgebete geschrieben waren. Er sagte sie voll Würde, während er mit kurzen Schritten dahinlief. Ich hatte auch seine zahlreichen Kirchenbesuche, jeden Tag, zu den verschiedenen Abbildern der Heiligen Jungfrau bemerkt.

Um dieses quasi ständige Gebet aufrecht zu erhalten, wusste Bruder Jakob Vorsicht und Feinheit einzusetzen. So wechselte er öfters den Platz während eines Kirchenbesuchs, um sich nicht von der Schläfrigkeit überraschen zu lassen; und ich habe ihn nie vor sich hin dämmern sehen. Desgleichen legte er an den Tagen, die er in der Kleiderablage mit dem Stopfen von Strümpfen oder dem Zusammenlegen von Taschentüchern verbrachte, einen kleinen Karton vor sich, auf dem seine Lieblingsanrufungen standen: wieder, um die große Pflicht der Suche nach Gott nicht zu vergessen. Kleine Mittel, die – beharrlich eingesetzt – viel Energie erfordern.

Ich erinnere mich auch an eine Zeit, während der er bei mir ministrierte. Nach der Kommunion, wenn er die Messkännchen darbot, hörte ich ihn tief durchdrungen murmeln: „… mit der ganzen Kraft meines Herzens, mit der ganzen Kraft meines Herzens.“

So lebte er im Gebet. Die Beständigkeit seines Gebets schien tatsächlich zum Großteil gewollt. Er erwartete nicht, dass man ihm spürbar dabei half, sondern er begann wieder damit aus Pflicht, bewusst und gewissenhaft. Diese Anstrengung machte ihn jedoch weder streng noch besorgt. Im Gegenteil: er war glücklich und fröhlich.

Ich habe viele Geistliche sterben sehen, darunter einen Dom Chautard, einen Pater Laurent Barnier. Trotz meiner Bewunderung habe ich nie das Verlangen verspürt, ein wenig ihres Geistes zu erbeten. Ich war jedoch am Grab von Bruder Jakob und betete, um ein wenig seines Geistes zu erhalten. Da er in menschlicher Beziehung nichts Bemerkenswertes besaß, sah man in ihm, was das Gebet allein, durch seine Aufrichtigkeit und seine Schlichtheit, in einem Menschen bewirken kann: es erhebt ihn weit über seine natürlichen Fähigkeiten hinaus. Noch zu Lebzeiten Bruder Jakobs, habe ich nicht gezögert, vor zwei oder drei Geistlichen zu sagen – und diese hatten mich völlig richtig verstanden: sollte ich ein Bestreben haben, so wollte ich in die Fußstapfen von Bruder Jakob treten, auf einem Weg, auf dem er, ohne es zu wissen, ein Meister war.

Pater Hieronymus, Sept-Fons, November 1953.