Homilie zum zehnjährigen Bestehen - Heiliger Bernhard 2012
Vor zehn Jahren hatten wir Vertrauen!
Einige feste Mauern und einige Schieferdächer inmitten eines Chaos aus Betonplatten, Stahlbewehrungen, klaffenden Gräben... das war unser Kloster. Am frühen Morgen verließen wir das Pfarrhaus von Nečtiny. Der Bischof der Diözese, der uns willkommen hieß, erwartete uns am Teich von Branišov. Die Nebelschwaden, die das Licht der aufgehenden Sonne dämpften, verzogen sich nach Sonnenaufgang. Hinter der Statue der Jungfrau, die von vier Brüdern getragen wurde, ging es für eine gute Stunde unter dem Gesang von Psalmen durch den Wald bergan. An der Tür zur provisorischen Kapelle knieten wir alle nieder. Der Abt von Sept-Fons segnete jeden einzelnen von uns und legte dabei jedem seine Hände auf das Haupt. In diesem Moment flog eine lebhafte Schwalbe flink durch unsere Gruppe hindurch.
Wir hatten Vertrauen. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, was uns erwartete, doch wir zweifelten nicht daran, dass wir mutig in die Zukunft schreiten mussten. Gott hat all unser Leid und all unsere Treue empfangen und tut dies auch heute noch. Er hat es verstanden, uns in Demut an unserer Ungeschicklichkeit wachsen zu lassen. Wir, die unnützen Diener, haben nichts vollbracht. Gott hat den Weg vorgezeichnet und wir sind ihm gefolgt. Dabei haben wir uns auf die Ordensregel gestützt, nicht als abstrakten Text sondern als lebendige Erfahrung, die seit unseren ersten Vätern von einer Generation an die nächste weitergegeben wurde und die wir ohne Unterlass verinnerlichen und an jene weitergeben, die Gott beruft, sich uns anzuschließen. Der Abt und der Novizenmeister von Sept-Fons haben uns Schritt für Schritt begleitet. Jeder von uns hat wohl in Bescheidenheit das Beste von sich gegeben und musste die Widersprüchlichkeiten der anderen erdulden. Nun stehen wir an der Schwelle zu einer weiteren Dekade, in größerer Zahl als an jenem Tag und immer noch entschlossen, nach vorne zu blicken – und keinesfalls zurück! (vgl. Lk 9,62) – nichts ist der Liebe zu Christus vorzuziehen.
Täuschen wir uns nicht über das Einssein, von dem im Evangelium die Rede ist, das wir gerade gesungen haben (Joh 17,20-26). Es geht nicht vorrangig darum, das wir untereinander Eins sind, sondern wir müssen das „Einssein mit Gott“ pflegen, das wir uns seit unserem Eintritt ins Kloster, einige von uns bereits seit Kindertagen, vage wünschen: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin... ich in ihnen und du in mir“. Der apostolische Aspekt unseres klösterlichen Lebens wird hier ebenfalls verkündet: „Damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“. Die Welt erkennt Gott nicht, aber da Christus uns liebt, erreicht seine Liebe durch seine Gegenwart in uns die ganze Welt. Dies ist sehr schön! Sind wir an jedem Tag in Einklang mit diesen schönen Betrachtungen? Eher selten. Manchmal vielleicht...
Ein weiterer Abschnitt aus der gleichen Rede nach dem letzten Abendmahl vervollständigt diese Aussichten: Jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er... Bleibt in mir... Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen... Um noch mehr Frucht tragen zu können, müssen wir unermüdlich akzeptieren gereinigt, gestutzt, zurechtgewiesen, korrigiert zu werden, und dies bis zum letzten Tag unseres klösterlichen Lebens, denn diese Reinigung ist die Voraussetzung dafür, dass wir Frucht tragen.
So stehen wir heute hier mit dem gleichen Vertrauen wie vor zehn Jahren und sind der Zukunft zugewandt. Was glauben wir?
Wir glauben, dass jener, der die Eucharistie mit aufrechtem Herzen empfängt (Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt), deren Auswirkungen über die große Zahl jener verbreiten kann, die unbeholfen und plump sind angesichts der Gnade.
Wir glauben, dass es keine vordringlichere Aufgabe gibt als jene, unermüdlich zu Unserem Herrn zu kommen, der im Tabernakel unserer Kirche unter uns weilt. Dort ruht das Heilmittel gegen alle Leiden und auch gegen die unsrigen: Wenn unsere menschlichen Herzen von ihrem Egoismus geheilt sind, öffnen sie sich einer allumfassenden, dauerhaften und fruchtbaren Liebe.
Wir glauben, dass uns der Herr, damit wir seiner Gegenwart teilhaftig bleiben, in diese Gemeinschaft geführt hat, eine bunte Ansammlung unterschiedlicher Charaktere, ein repräsentativer Querschnitt der heutigen Welt mit ihrer Tatkraft und ihren Illusionen. In dieser Gemeinschaft und unter dieser Regel ermöglicht uns der Gehorsam gegenüber dem Abt, das Wort Gottes zu hören und in die Tat umzusetzen.
Wir glauben, dass unsere vorrangige Absicht, wie es Pater Hieronymus so schön ausdrückte, darin besteht, die Freundschaft des Herrn anzunehmen, und dabei ohne Unterlass gegen die Eigenliebe anzukämpfen, die der Erlangung der Gnade beständig im Wege steht. Wenn wir in diesem Zustand verharren, wenn wir den Kernpunkten, die das klösterliche Leben kennzeichnen, treu bleiben, dann sind wir gewiss, dass unser Leben fruchtbar und glücklich sein wird, ganz gleich, welches Dunkel es zu durchqueren gilt und welche Prüfungen uns erwarten.
Wir glauben, dass die Liebe Christi stärker ist als unsere Schwächen.
Wir glauben noch an viele weitere ewige Wahrheiten, aber was zählt ist, dass wir gestern wie heute und auch in Zukunft unser Vertrauen in Christus unseren Herrn setzen, des mütterlichen Schutzes der Gottesmutter, der seligen Jungfrau Maria, des Gebets unserer Väter des Ursprungsklosters Cîteaux, der Unterstützung unserer Väter von Sept-Fons – und auch ihres Gebets – und der Zuneigung unserer Brüder gewiss.
Amen.