Brief an unseren Freunde

11. Januar 2012

Gründung des Klosters bis zu der Erhebung zur Abtei

Liebe Freunde,

Seit Nový Dvůr im August 2002 von der Abtei von Sept-Fons gegründet wurde, haben diverse Ereignisse unser Leben durchzogen. Ich habe sie Ihnen erzählt; anders gesagt: ich habe deren „Geschichte“ geschrieben. Sollten die Mönche der Ursprung dieser „Geschichte“ sein oder handelt es sich um Ereignisse, die Gott in unseren Weg gestellt hat um kundzutun, was er von uns erwartet, und um, durch seine Gnade, konkrete Taten auszulösen, mit denen wir auf seine Einladungen antworten können? Ist es der Mensch, der seinen Weg vorzeichnet, bestenfalls vage auf das Wort Gottes achtend? Ist es Gott, der den Weg des menschlichen Schicksals zeichnet, vorausgesetzt jeder passt sich an das an, was er von ihm verlangt? Um in den Strom zu gelangen, in den Gott uns hineinzieht, besteht eine bewährte Methode darin, seine Absichten zu erraten, zurückhaltend zu bleiben, die Ereignisse und die Älteren zu befragen und sich vor vorschnellen oder ungeschickten Initiativen zu hüten, ohne sich einzubilden, dass man den Willen Gottes kennt, sobald einem ein Gedanke oder ein Wunsch durch den Kopf geht.

Der Dezember 2011 war reich an Ereignissen aller Art. Diesen Brief habe ich nicht ohne Verlegenheit verfasst, da ich – ausnahmsweise und ungewollt – im Mittelpunkt dieser Ereignisse stand: die Wahl und die Weihe des Abtes betrafen selbstverständlich die Gemeinschaften von Nový Dvůr und Sept-Fons, unsere Freunde, unsere Diözese, aber auf besondere Weise auch denjenigen, der gewählt und geweiht wurde. Für Sie haben wir den Ablauf dieser Tage beschrieben.

Lassen Sie uns mit dem Anfang beginnen. Als im Sommer 1991 drei Priester und zwei junge Tschechoslowaken in der Abtei von Sept-Fons vorbeikamen, um eine Klostergründung in ihrem Land zu erbeten, haben ihnen der Abt und der Novizenmeister nach reiflicher Überlegung angeboten, ihre jungen Leute nach Frankreich zu schicken, um sie im Klosterleben auszubilden. Ihre Anzahl und ihre Treue würden die Absichten Gottes hinsichtlich dieser Klostergründung kundtun. Die Berliner Mauer war gerade gefallen. Die Seminare und Noviziate der tschechischen Klöster wurden nicht leer. Man riet uns zu einer baldigen Gründung, man lud uns zu öffentlichen Veranstaltungen ein. Diesen Angeboten gegenüber taub, haben wir den Tschechen und Slowaken, die an unserem Leben interessiert waren, die Tore von Sept-Fons geöffnet. Wir haben denen, die sich dazu verpflichtet haben, eine Klosterausbildung gegeben. Das war vor zwanzig Jahren.

Die Jahre vergingen. Eines Tages sollten wir sie erzählen. Lassen Sie uns ein paar Episoden daraus aufzählen. Bevor sie ihre Tore schloss, hinterließ die von den Kommunisten in ein Gefängnis verwandelte und 1992 restaurierte Zisterzienser-Abtei von Ossek einen ihrer Postulanten Sept-Fons; er ist heute Mönch von Nový Dvůr. In der Nachbarschaft des Pfarrhauses von Netschetin, das uns drei Jahre lang beherbergte, gingen wir nur wenige Schritte in den Wald und besuchten einen verwüsteten jüdischen Friedhof. Die romanische Kirche von Krasch lag damals an unserem Weg zur Baustelle. Sie ist verfallen. Jedes Jahr feiern wir dort die Messe zum Namenstag des Hl. Andreas und wir träumen davon, sie zu restaurieren. Der Bau des Klosters… So kam die Zeit der Klostergründung, am 20. August 2002, auf einer hektischen Baustelle, auf der die Arbeiter am Vortag noch aktiv waren (außer einer provisorischen Kapelle, einem provisorischem Skriptorium, dem Schlafsaal und dem Büro des Superiors war nichts fertig). Fast dreitausend Freunde nahmen an der Kirchweihe am 2. September 2004 teil. Lange Reifezeit, Prüfungen und Freuden, bis zum 14. September 2007, als Nový Dvůr zum Priorat wurde.

Die Monate gleichen sich und sammeln sich an. Schon sind wir im Dezember 2011. Es fehlte weder an Andacht, noch an schönen Liturgien, noch an herzlichen Gesten, noch an brüderlicher Aufmerksamkeit. 8. Dezember: Nový Dvůr wird zur Abtei und die Brüder wählen ihren ersten Abt. 12. Dezember: der Bischof von Pilsen, dessen Unterstützung nie nachgelassen hat, verleiht ihm die Abtsweihe in Gegenwart von Freunden, unserer Familien, von Priestern, Geistlichen und Äbten. 18. Dezember: Sept-Fons lädt den neuen Abt ein, ein feierliches Hochamt zu zelebrieren; am selben Tag erfährt man vom Tod des Präsidenten Václav Havel. 23. Dezember: der Pater Abt und zwei Brüder aus Nový Dvůr nehmen am Staatsbegräbnis im Veitdsom von Prag teil. Weihnachten und das Neue Jahr schließen das Kapitel des Vorjahres ab. 6. Januar 2012: Seine Exzellenz Dominik Duka, Erzbischof von Prag, befindet sich in Nový Dvůr mit der Redaktion der Zeitschrift Salve, als die Schaffung der neuen Kardinäle amtlich bekannt gegeben wird. Der neue Kardinal steht der Messe zur Taufe des Herrn vor.

Dienstag der ersten Woche der normalen Zeit. Ich rufe den Novizenmeister von Sept-Fons an, um ihm ein paar Neuigkeiten zu geben, darunter diese: ein Bruder kämpft mit seinen vertrauten Dämonen. Reaktion des Novizenmeisters: „Wissen Sie, gewöhnlich denkt man nur an sich; man betet oft in sich gekehrt. Und wenn man sich dem widmet, was die Kirche verlangt, dann ist das eine ganz andere Sache.“

Welche Lehre soll man aus diesen Ereignissen ziehen? Da alles in Nový Dvůr, besonders die Kirche, von der Großzügigkeit derer zeugt, die uns beim Bau des Klosters geholfen haben, mussten diese Tage erzählt werden, deren Erinnerung nunmehr nicht nur ins Gedächtnis sondern bis in die Gebäude eingegraben ist. Diese Tage betreffen nicht nur die Mönche. Sie betreffen auch Sie und all diejenigen, die mit dem Gebet der Mönche rechnen. Eine Abtei zu werden, ist kein Abschluss, es ist eine Schwelle. Danke, dass Sie uns weiterhin unterstützen. Sie können mit unserem Gebet rechnen, wie wir mit Ihrer Treue rechnen.

Fr. M. Samuel, Abt von Nový Dvůr




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