Brief an unseren Freunde

Pfingsten 2009

Wahrheit und Mut scheinen die Grundlagen einer auf Treue basierenden Zukunft zu sein. Der Papst Benedikt XVI. praktiziert diese Kunst beharrlich. Er wird im September die Tschechische Republik besuchen. Wir werden für das Gelingen seiner Reise beten. Wir hoffen, daß die tschechischen Gläubigen sehr zahlreich zum Heiligen Vater kommen werden.

Liebe Freunde,

Dank Ihrer nie abflauenden Großzügigkeit vollzog sich das Wunder: Wir sind im Begriff, unseren Gästetrakt fertig zu stellen. So lange wir schon davon reden, wird er – dieses Mal sicher – Anfang des Sommers seine Türen öffnen (um mehr über unser Gästehaus zu erfahren, klicken Sie). Anschließend werden wir den Bau unserer Werkstätten vorbereiten. In Sept-Fons konnte die Gemeinschaft die Karwoche und die Oster-Oktav in ihrer renovierten Kirche feiern, bevor sie sich nochmals für einige Zeit in die provisorische Kapelle zurückzog. Die Bauarbeiten sind ringsumher (Sakristei, Zugang der Gäste, Kapellen, Endarbeiten) in vollem Gange, aber im Klosterinneren herrscht Ruhe. Werden wir aufhören Ihnen zu schreiben, wenn diese Baustellen abgeschlossen sind? Nein, da können Sie ganz beruhigt sein (Wenn Sie wissen möchten, was wir über Großzügigkeit denken, klicken Sie). Zwischen uns ist eine für uns wichtige Beziehung entstanden, die anscheinend einige von Ihnen, ob gläubig oder nicht, dazu ermutigt hat, dem christlichen Glauben zu vertrauen. Dafür können wir nichts, aber wir freuen und darüber. Ich lese Ihre Briefe aufmerksam durch, auch wenn ich nur selten antworte. Sie erinnern mich daran, daß Ihre Sorgen unseren ähneln, und daß was für Sie wichtig ist, auch für uns zählt.

Kommenden Winter sind es fünfzehn Jahre, daß ich zum ersten Mal, in Begleitung des Paters Prior von Sept-Fons in die Tschechische Republik kam. Der Prior stammt aus Brünn und war damals ein zwanzig Jahre alter Novize. Für einen Franzosen war es sehr ergreifend, eine Grenze zu überqueren, deren alte Gebäude sich seit der Zeit, die wir den Eisernen Vorhang nennen, nicht verändert hatten. Wir haben im ersten Dorf Halt gemacht, um den Vespergottesdienst abzuhalten. Die Kirche wurde gerade instand gesetzt. Als wir nach Pilsen kamen, sagte ich mir: „Wir sind hier in Europa.“ Es war etwas wahres an diesem Eindruck. Das Land kostete die ersten Jahre einer seinerzeit begeisternden Freiheit. Der wirtschaftliche Fortschritt und die ihn begleitende Kultur sollten es rasch wandeln. Dieses Jahr, nach Ostern, reiste ich in einen Vorort dieser Stadt, nach Vepernice, zu dem Kunsttischler, der die Kruzifixe unseres Gästetraktes fertig stellt. Er wohnt im ehemaligen Pfarrhaus, einem weitläufigen, elegant restaurierten Barockhaus neben einer Kirche in einwandfreiem Zustand. Seine Gattin – sie haben fünf junge Mädchen – sagte mir, daß die Gemeinde nur noch zwanzig Gläubige zählte: sie sieben und dreizehn weitere Frauen, alle älter. In einer kleinen Stadt von mehreren Tausend Einwohnern...

Wir könnten befürchten, die letzten Zeugen einer vergangenen Zeit zu sein. Aber nein! Die Christen sind seit jeher das Salz der Erde. Vielleicht haben wir in letzter Zeit nur vergessen, daß wir, um diese Rolle zu spielen, einen gewissen Bruch akzeptieren müssen – nicht etwa mit der heutigen Welt oder ihren Bewohnern, sondern mit manchen Verhalten und manchen Werten, die der elementarsten Menschenwürde und der Botschaft des Evangeliums den Rücken kehren. Wahrheit und Mut scheinen die Grundlagen einer auf Treue basierenden Zukunft zu sein. Der Papst Benedikt XVI. praktiziert diese Kunst beharrlich. Er wird im September die Tschechische Republik besuchen. Wir werden für das Gelingen seiner Reise beten und einige Brüder in die Prager Kathedrale entsenden, wenn er dort den Geistlichen begegnet. Wir werden auch einen Bus für unsere Nachbarn aus Dobrá Voda organisieren, die ihn gerne treffen möchten. Wir hoffen, daß die tschechischen Gläubigen sehr zahlreich zum Heiligen Vater kommen werden. Wir müssen diesen mutigen Mann unterstützen, der laut und dennoch mit einer gewissen Demut die Wahrheit des Evangeliums verbreitet

Wenngleich das Zisterzienser-Klosterwesen in der Christenheit entstanden ist, so gab es auch andere Zeiten im Laufe der Geschichte, während derer eifrige Mönche in unzugänglicher Umgebung einen entscheidenden Einfluß hatten: das ist die „geheime apostolische Fruchtbarkeit“ unserer beschaulichen Berufung. Wenn einmal die Religionsgeschichte über unser Zeitalter geschrieben wird, wird man dann sagen, daß die Mönche des 21. Jahrhunderts ihrer Rolle getreu gehandelt haben? Wird man sagen, daß die Christen ihrer Aufgabe gewachsen waren? Abgesehen von der Wirkung unseres Gebetes üben wir überhaupt keinen Einfluß auf die Gesellschaftsentwicklung aus. Hingegen können wir mit Gottes Hilfe auf das Leben, das wir leben, einen Einfluß haben. Nun ist es aber entscheidend, was ein junger Mensch sieht, wenn er unsere Kirchen besucht. Das, was er bei der Aufnahme in unseren Familien und unseren Klöstern entdeckt, ist ausschlaggebend. Das von den Jungen gesuchte Licht ist die Aufrichtigkeit ihrer Älteren. Nicht die subjektive Aufrichtigkeit, die alles entschuldigt und die gewohnten Freiheiten unterstützt; sondern eine kompromißlos nach dem Evangelium geformte Aufrichtigkeit, die sie im Leben der Älteren realisiert sehen möchten, auch wenn sie nicht vollkommen ist. Was für eine Verantwortung!

Der Vater von Bruder Daniel liegt immer noch im Koma, mit einer leichten Besserung. Von Zeit zu Zeit gehen wir ihn besuchen. Seine Gattin, tapfer wie eh und je, kam kürzlich im Kloster vorbei. So ist das Leben und es ist schön so.

Sie können mit unserem Gebet rechnen. Mit freundlichen Grüßen.

Fr. M. Samuel, Prior


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Der Gästetrakt von Nový Dvůr
Großzügigkeit bringt Großzügigkeit hervor


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